RIOJA RELOADED

Ab in die Rioja – DIE Weinregion in Spanien, eine der großen Herkunftsbezeichnungen in der Weinwelt. Die Rioja steht für weltberühmte Kellereien wie für spezialisierte Weinproduktion, verbrieft in den weithin bekannten Bezeichnungen Crianza, Reserva und Gran Reserva als Ausweis ihrer Reife - und ihrer vermeintlichen Qualität. Letztere hat im Ansehen durch die Entwicklung der letzten 10 – 15 Jahre deutlich gelitten. Man findet Rioja-Weine minderer Qualität mit der Klassifikation „Reserva“ oder „Gran Reserva“ mittlerweile auch in Köln am Büdchen an der Ecke. Discounter und große Lebensmitteleinzelhändler führen mit Billigabfüllungen das ureigentliche Qualitätsversprechen zusehends ad absurdum. Der einstig so glänzende Ruf des Rioja-Weins hat deutliche Macken bekommen.

Auf den ersten Blick also keine Region, in der wir uns auf die Suche nach echten Weinwerten und neuen Winzern begeben. Der zweite Blick allerdings offenbart eine – aus Qualitätssicht - hervorragende Perspektive und rechtfertigt somit auch unser Interesse. Es existiert Aufbruchstimmung in der Rioja, genau genommen im mehrheitlich baskischen Teil der Rioja Alavesa. Manche sprechen gar von Revolution. Noch nicht flächendeckend, aber punktuell merklich, sodass sich selbst große Kellereien wie z.B. Artadi inhaltlich mit der neuen Bewegung beschäftigen. Was ist passiert? Seit 2016 haben sich bereits kleinere Zusammenschlüsse verschiedener Winzer einem neuen Credo gewidmet: maximale Fokussierung auf Terroir, Typizität und Qualität der Weine, losgelöst vom Dogma der zeitlich festgelegten Lagerung. Rein formal beschränkt das existierende Limit für die Weinproduktion unter der DO Rioja den Verkauf zusätzlicher Mengen unter dem Gütesiegel. Und nicht zuletzt existiert seit langem die Gewissheit, dass die Böden der Rioja Alavesa eine vergleichsweise bessere Qualität aufweisen (stärkere Durchsetzung des lehmigen Bodens mit Kalkstein) und diesen Unterschied würde man gerne kenntlich machen. Authentizität statt althergebrachte Prozesse und Regularien ist das Stichwort – ganz nach unserem Geschmack. Das hat uns schließlich dazu bewogen, die Entwicklung der neuen Projekte in der Rioja Alavesa persönlich in Augenschein zu nehmen.

Hängen geblieben sind wir in Elcuernaga (oder Villabuena de Álava). Ein kleines, unspektakuläres Dörfchen mit gerade mal 300 Einwohnern. Bemerkenswert allerdings ist die Anzahl der ansässigen Kellereien, satte 30 an der Zahl. Außenrum nichts als Reben, die Sierra de Toloño als Teil der Sierra de Cantabria nördlich angrenzend und steil aufragend, fast immer bekrönt von weiß-grauen Wolken.

Weingut Bediona in der Rioja Alavesa mit Blick auf Weinparzellen am Rande der Sierra Cantabria

Nachdem wir nacheinander die Bodegas Izadi, Luis Cañas und Valserrano passiert haben, liegt am Ende des Dorfes das Weingut „Badiola“ (aus markenrechtlichen Gründen zukünftig - und auch hier - „Bideona“). Gegründet im Jahr 2018 durch Übernahme des existierenden Weinguts Izaguirre steht die Bodega Bideona sinnbildlich für die fortschreitende Veränderung in der Alavesa. Dabei entsprechen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zunächst so gar nicht der Vorstellung von kleineren, unabhängigen, aufbegehrenden Winzern. „Bideona“ ist ein Projekt der Península-Gruppe, die über weitere Beteiligungen in den weniger bekannten Weinregionen Uclés und der Sierra de Gredos verfügt. Ziel dieser Gruppe um die Master of Wine Andreas Kubach und Sam Harrop ist es, Weine nach Kategorie und Stil auf die authentischste, nachhaltigste und wettbewerbfähigste Weise zu erzeugen. Sie nennen es „sympathetic winemaking“ – ein sehr undogmatischer Ansatz im Weinbau, mit geringen Interventionen, aber fehlerfrei. Ihr Unternehmen führen sie in jeder Hinsicht nachhaltig, im Sinne der Ökologie, der sozialen Formen und der Wirtschaftlichkeit, bevorzugt vor der reinen Optimierung des ökonomischen Ertrags.

Diesen Parametern folgend hat Península (u.a. auch Gründungsmitglied der Wineries for Climate Protection) nach langer intensiver Suche im bisherigen Weingut von Gorka Izaguirre (nun Partner und Aktionär) den idealen Spot zur Umsetzung ihrer Philosophie gefunden. Unmittelbar geschützt durch die Sierra Cantabria finden sich an deren Fuße rund um Elcuarnaga unzählige kleine Rebparzellen. Die Bodega Bideona hat in dieser Region durch Besitz, Pacht oder Abnahmeverträge Zugriff auf ca. 80 ha Rebfläche, aufgeteilt in über 300 Parzellen. Einzigartige Traubenqualität an durchschnittlich 55 Jahre alten Rebstöcken auf kalkdurchsetztem Lehmboden. Bodenbeschaffenheit, Rebstöcke, Mikroklima sind der Kern der Philosophie, das Terroir in den Mittelpunkt der Weinproduktion zu stellen. Zusätzlich kommt die neueste Technik im Weinkeller zum Einsatz, wo Stahl- und Betontank sowie gebrauchte Eichenholzfässer unterschiedlicher Größe für die Reifung genutzt werden – so wie es die Trauben für den angestrebten Wein eben zulassen. Wann, wie und wie lange bestimmt Tao Platón, Chef-Winemaker von Península und zur Zeit vorwiegend im Weingut Bideona im Einsatz. Grundsätzliches Ziel der Península-Gruppe ist es, die beste Qualität für den jeweiligen Preis zu erzielen – oder auf die Bodega Bideona zugespitzt: qualitativ schnellstmöglich in die Top-Liga der Weingüter im Rioja vorzustoßen.

Bei den gegebenen, hervorragenden Voraussetzungen hat sich CEO Andreas Kubach daher entschieden, mit Badiola/Bideona vier klar terroirbezogene Linien anzubieten. Vinos de Zona sind die so genannten Regionalweine, aus diversen Parzellen in der Rioja Alavesa zusammengestellt. Der „Cabezadas“ als sortenreiner Viura von den Kuppen der Weinberghügel, der „Laderas“ als reiner Tempranillo von den Hängen. Bereits auf diesem Einstiegsniveau ist die Philosophie sehr schön im Glas erkennbar. Komplexität, Frucht, aber auch die dem Kalkgehalt der Böden geschuldete Mineralität macht sich in der Nase wie am Gaumen wohltuend bemerkbar. Die ersten beiden Jahrgänge der Vinos de Finca als Gutsweine bieten bereits ein Niveau, welches selbst in der Alavesa auf diesem Level kaum anzutreffen ist. Der „Las Parcelas tinto 2019“ von mindestens 50-jährigen Rebstöcken ist schon sehr gut trinkbar und zeigt auf elegante Weise die komplette Charakteristik des Terroirs. Die erste Probe der Vinos de Pueblo (die Ortsweine aus Elcuarnaga - erster bereits Jahrgang abgefüllt) lässt zudem erahnen, welche Qualitäten darüber hinaus von der Kellerei in Zukunft noch zu erwarten sind.

Wir von WEINWUNDER haben einen hervorragenden Eindruck von Badiola/Bediona und der Península-Gruppe gewonnen – nicht nur bezüglich der konsequenten Umsetzung ihrer Philosophie, sondern auch hinsichtlich der Deckungsgleichheit mit unseren eigenen Grundsätzen. Bewusster Weingenuss ist der Antrieb für alle Aktivitäten der Gruppe. Selten ist uns so klar vor Augen geführt worden, dass dem ein Kreislauf zwischen Weinproduzent und Weinkonsument zu Grunde liegt. Die Revolution in der Rioja wird nur gespeist von der Akzeptanz und dem Bewusstsein der Konsumenten, den Wein und seine ursprünglichen Charakteristika in den Mittelpunkt zu stellen. Form follows function adaptiert auf das Winemaking. We love it!

 


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